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WM-Qualifikation in Toronto Schach-Bundestrainer arbeitet für russischen WM-Kandidaten

Jan Gustafsson unterstützt Jan Nepomnjaschtschi als Sekundant beim Schach-Kandidatenturnier in Toronto. Der Deutsche Schachbund nimmt den Bundestrainer nun gegen Kritik in Schutz.
Jan Gustafsson: Sekundant von Jan Nepomnjaschtschi

Jan Gustafsson: Sekundant von Jan Nepomnjaschtschi

Foto: Lennart Ootes

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Der deutsche Schach-Bundestrainer Jan Gustafsson arbeitet beim Kandidatenturnier in Toronto für den russischen WM-Kandidaten Jan Nepomnjaschtschi. »Ich bin hier mit meinem Sekundanten Jan Gustafsson«, sagte Nepomnjaschtschi am Donnerstag nach der ersten Runde . Der Sieger des Kandidatenturniers qualifiziert sich für das WM-Duell gegen den amtierenden Weltmeister Ding Liren .

Bereits vor Turnierbeginn hatte es Gerüchte gegeben, dass Gustafsson für Nepomnjaschtschi arbeitet. Der Präsident des niedersächsischen Schachverbands schrieb daraufhin bei eine empörte Nachricht an Gustafsson: »Ich gehe davon aus, dass Du weißt, was Du da tust!?« Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wirft der neue Job des deutschen Großmeisters Fragen auf.

Der kritische russische Schach-Nachrichtenkanal »Chess-News« etwa warf Gustafsson auf vor, »zum Triumph der Kreml-Propaganda« beizutragen und dafür Oligarchengeld zu erhalten. Eine Anfrage des SPIEGEL ließ Gustafsson bislang unbeantwortet.

Jan Nepomnjaschtschi: Auf dem Weg zur WM?

Jan Nepomnjaschtschi: Auf dem Weg zur WM?

Foto: Waleed Zein / Anadolu Agency / Getty Images

Nepomnjaschtschi und der Krieg

Der amtierende Vizeweltmeister Jan Nepomnjaschtschi hat Russlands Überfall auf die Ukraine unter anderem im April 2022 in einem offenen Brief  verurteilt. Nepomnjaschtschi sprach von »Wahnsinn«, im Brief war von einer »Katastrophe« die Rede. Dennoch steht er in der Kritik. Peter Heine Nielsen, Trainer von Superstar Magnus Carlsen, etwa fordert eine Sperre aller russischen Spieler. »Nach der Aussage, man sei gegen den Krieg, sollte man immer noch nach seinen Taten und nicht nur nach seinen Worten beurteilt werden«, sagte Nielsen dem SPIEGEL.

Nepomnjaschtschi wird laut seiner Homepage  und der seines Teams  unter anderem vom russischen Bergbauunternehmen Nornickel gesponsert. Dessen milliardenschwerer Chef ist Wladimir Potanin, einer der reichsten Russen. Er gilt als Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. Vor dem Kandidatenturnier lobte Potanin Nepomnjaschtschi laut der russischen Agentur Tass in den höchsten Tönen. Der Großmeister lasse »Traditionen der Sowjetzeit wieder aufleben«.

Seit dem Beginn des Ukrainekriegs setzten unter anderem Kanada, Großbritannien und die USA Potanin auf Sanktionslisten. Zwar warnte Potanin im Zuge des Ukrainekriegs öffentlich davor, dass sich die turbulenten Zeiten der Revolution 1917 wiederholen, wenn das Land westliche Unternehmen und Investoren aussperre. Grundsätzlich unterstützt er laut manager magazin  aber seit Jahren den Kreml und gilt als loyaler Putin-Freund.

Nepomnjaschtschi wurde in der Vergangenheit außerdem vom Skolkovo-Institut für Wissenschaft und Technologie unterstützt. Mithilfe eines sogenannten Supercomputers  des Instituts bereitete sich Nepomnjaschtschi auf die WM 2021 vor. Heute steht Skolkovo auf der Sanktionsliste der USA , weil es Verbindungen zum russischen Verteidigungssektor pflegen soll. Ob Nepomnjaschtschi im Rahmen des Kandidatenturniers mit dem Skolkovo-Institut zusammenarbeitet, ist nicht bekannt.

Auszeichnung vom Sportministerium

Noch Ende Dezember erhielt Nepomnjaschtschi vom russischen Sportministerium eine Medaille für seinen Beitrag als »herausragende Persönlichkeit auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sports«. Mit der Medaille wurde etwa auch Großmeister Sergei Karjakin ausgezeichnet, ein glühender Putin-Anhänger, der auch Propaganda für den Kremlchef macht.

Der Deutsche Schachbund wusste bislang nicht, dass sein Bundestrainer der Männer nun auch für Nepomnjaschtschi arbeitet. Das teilt der Verband auf SPIEGEL-Anfrage mit. »Wir möchten auch betonen, dass Herr Gustafsson nicht in Vollzeit für den Deutschen Schachbund arbeitet und gemäß unserer Vertragsvereinbarung die Möglichkeit hat, auch für andere Schachspieler als Sekundant tätig zu sein, solange keine Verletzung von Geheimhaltungsvereinbarungen erfolgt«, heißt es in der Antwort: »Eine Verpflichtung, uns darüber zu informieren, besteht vertraglich nicht.«

Gustafsson habe auf dieser Basis bereits mit verschiedenen Spielern zusammengearbeitet, etwa mit Superstar Magnus Carlsen oder dem niederländischen Großmeister Anish Giri. »Daher wissen wir, dass seine Arbeit für andere Personen seine Tätigkeit als Bundestrainer nicht negativ beeinflusst«, so der Schachbund.

Im Hinblick auf den »Ukrainekonflikt« sei die Zusammenarbeit mit russischen Staatsbürgern aber »kritisch zu überprüfen«. Jan Nepomnjaschtschi habe sich in der Vergangenheit etwa in dem offenen Brief öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen. »Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist Jan Nepomnjaschtschi kein Befürworter des Krieges, und eine Zusammenarbeit ist daher vertretbar«, so der Schachbund.

Jan Gustafsson, als Eröffnungsspezialist bekannt, arbeitet seit April 2023 als Bundestrainer der deutschen Schach-Männer. Zuvor unterstützte er Magnus Carlsen bei mehreren Weltmeisterschaften, etwa bei seinem Duell gegen Nepomnjaschtschi 2021. Dadurch beschäftigte sich Gustafsson auch intensiver mit dem Spiel des Russen. Im vergangenen Jahr waren Gustafsson und Nepomnjaschtschi dann beide bei der Team-Weltmeisterschaft in Düsseldorf für die Mannschaft des Investors Wadim Rosenstein aktiv.

Ob sich daraus auch der neue Job des Bundestrainers für Nepomnjaschtschi ergab, ist aber nicht bekannt. Möglich ist auch, dass er schon zuvor als Sekundant des Russen arbeitete.