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Liwa Ekimakingaï, seines Zeichens Küchengehilfe im Hotel Victory Palace in Pointe-Noire, hat unter mysteriösen Umständen das Zeitliche gesegnet. Am Abend des kongolesischen Nationalfeiertags trifft er in einem Nachtklub die schöne Adeline, er begleitet sie nach Hause ... und erwacht nicht etwa in ihrem Bett, sondern in einem Grab auf dem Friedhof Frère-Lachaise. Liwa findet den eigenen Tod ziemlich unfair und macht sich auf, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Bei seiner Reise in die eigene Vergangenheit begegnet er einer Reihe höchst illustrer Figuren, lebendige wie verstorbene. Da ist…mehr

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Produktbeschreibung
Liwa Ekimakingaï, seines Zeichens Küchengehilfe im Hotel Victory Palace in Pointe-Noire, hat unter mysteriösen Umständen das Zeitliche gesegnet. Am Abend des kongolesischen Nationalfeiertags trifft er in einem Nachtklub die schöne Adeline, er begleitet sie nach Hause ... und erwacht nicht etwa in ihrem Bett, sondern in einem Grab auf dem Friedhof Frère-Lachaise. Liwa findet den eigenen Tod ziemlich unfair und macht sich auf, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Bei seiner Reise in die eigene Vergangenheit begegnet er einer Reihe höchst illustrer Figuren, lebendige wie verstorbene. Da ist beispielsweise Augustin Biampandou, der als Hafenmeister das einträglichste Amt der Stadt bekleidet, sich aber trotz seiner Allmacht zum Schutz eine »Haushexe« hält. Oder der Sänger Lully Madeira, bei dessen Auftritten die Frauen gleich reihenweise in Ohnmacht fallen - aber erst seit er einen Buckel hat, in dem Geister wohnen. Liwa muss erkennen, dass sich die Welt der Toten kaum von der der Lebenden unterscheidet.
Autorenporträt
Alain Mabanckou wurde 1966 in der Republik Kongo geboren. Mithilfe eines Förderstipendiums verließ er Ende der Achtzigerjahre seine Heimat, um in Paris sein Jurastudium fortzusetzen. Danach trat er in einen französischen Wirtschaftskonzern ein, für den er fast zehn Jahre lang als juristischer Berater tätig war. Während dieser Zeit erschienen zwei Lyrikbände und sein Debütroman, für den er den Grand Prix littéraire de l¿Afrique noir erhielt. Weitere Romanveröffentlichungen folgten, darunter »Zerbrochenes Glas« und »Black Bazar«. Mit dem Roman »Stachelschweins Memoiren« gewann er den Prix Renaudot, die Académie française zeichnete ihn 2012 für sein Gesamtwerk mit dem Grand Prix de Littérature aus. Mit »Petit Piment« war er 2017 für den Booker International Prize nominiert. Alain Mabanckou lebt in Paris und Los Angeles.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Andrea Pollmeier scheint durchaus angetan von Alain Mabanckous Roman, der dem jüngst Verstorbenen Liwa Ekimakingai auf einer viertägigen Reise zwischen dem Totenreich und der Welt der Lebenden folgt. Aus dieser ungewöhnlichen Perspektive entwirft Mabanckou, lernen wir, ein Bild des gegenwärtigen Kongo, das von Machtkämpfen und Interessenkonflikten gekennzeichnet ist. Liwa besucht unter anderem, zeichnet die Rezensentin nach, seine eigene Beerdigung, außerdem lernen die Leser seine Großmutter kennen und erfahren einiges über eine weibliche Solidargemeinschaft, die sich über ein zinsloses Kreditsystem organisiert. Aber auch allerlei gefährliche Typen tauchen auf, berichtet Pollmeier von ihrer Lektüre, unter anderem Polizisten und Politiker, und der in die Welt der Lebenden zurückgekehrte Liwa vermag sie plötzlich allesamt zu durchschauen. Besonders beeindruckt Pollmeier die anschauliche Darstellung der Existenz im Zwischenreich, die die Logiken der Alltagswahrnehmung umdreht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2023

Generalstreik der Toten

Herrlich überdreht:

Von seiner Heimat

Kongo-Brazzaville

erzählt Alain Mabanckou in einem grotesken

Roman aus dem Jenseits.

Noch als Geist trägt Liwa Ekimakingaï erlesene Garderobe. Kurz nach seiner eigenen Bestattung erwacht der junge Mann, zu Lebzeiten Küchengehilfe in der kongolesischen Hafenstadt Pointe-Noire, in orangerotem Sakko aus Crêpe-Stoff mit breitem Revers über einem neongrünen Hemd mit großem Kragen und Umschlagmanschetten, dazu eine lila Schlaghose und rote Salamander-Lackschuhe mit weißen Schnürsenkeln. Allein die Fliege sitzt ein wenig schief am Hals dieses Untoten, der zumindest dem modebewussten Äußeren nach durchaus seinem Schöpfer Alain Mabanckou ähnelt.

Mabanckou, 1966 in Pointe-Noire geboren, besitzt laut Selbstauskunft eine Kollektion von Hunderten Oberhemden, machte allerdings anders als sein Romanheld aus dem Armenviertel früh Karriere als Jurist in einem Pariser Energiekonzern. Als Literat machte er sich 1998 mit seinem Debütroman "Bleu blanc rouge" über die Szene der "Sapeurs" einen Namen, afrikanische Dandys, die im Paris der Sechzigerjahre durch extravagante Erscheinung und offensiven Snobismus gezielt koloniale Stigmatisierungen unterliefen. In seinem vierzehnten Roman, "Das Geschäft der Toten", verbindet Mabanckou nun einmal mehr Erinnerungen an seine Kindheit in der sozialistischen Republik Kongo, afrikanische Mythologie und beißende Gesellschaftskritik zu einer komisch-bitteren Geschichte über die postkoloniale Wirklichkeit. Dass in der unabhängigen Republik Kongo weder unter den Lebenden noch unter ihren Wiedergängern im Jenseits Gerechtigkeit, Gemeinschaftssinn und Vertrauen herrschen, liest man in dieser hintergründigen Groteske über den adretten Untoten Liwa, dessen Nachname "Der Tod hat Angst vor mir" bedeutet, in jeder Zeile mit.

Liwa nutzt seine Auferstehung auf dem Friedhof "Frère Lachaise" in Pointe-Noire, um im "längsten Traum seines Todes" fünf Tage lang die Umstände seiner eigenen Ermordung nach dem Besuch eines Nachtklubs an der Seite der schönen Adeline zu untersuchen. Als zumeist unsichtbarer Geist - Untote dürfen laut den Legenden der Babembe-Ethnie den Lebendigen höchstens zweimal erscheinen, bevor sie endgültig ins Jenseits eingehen - stolpert Liwa über die doppelten Böden und nebulösen Irrwege zwischen Dies- und Jenseits, zwischen europäischer Moderne und afrikanischer Tradition, zwischen der Fassade einer aufstrebenden Ex-Kolonie und der systemischen Korruption und manipulativen Geisterbeschwörung dahinter.

In seinem vielbeachteten Essay "Das Schluchzen des schwarzen Mannes" kritisierte Mabanckou einmal die "Tendenz einiger Afrikaner, die Übel des schwarzen Kontinents - alle seine Übel - durch das Prisma der Begegnung mit Europa zu sehen". Auch in "Das Geschäft der Toten", in dem aus Geld- und Machtgier Seelen verkauft und Pakte mit Feticheuren und Geistern geschlossen werden, während kriminelle Politiker und skrupellose Unternehmer das Land regieren, wird ein Leitgedanke Mabanckous deutlich, nämlich die Entmoralisierung postkolonialer Literatur. Mabanckou fühlt sich denjenigen Schriftstellern zugehörig, die "Barrieren niederreißen, sich gegen die Aufteilung des Imaginären in Sektionen wehren, weil sie wissen, dass unser Heil im Schreiben liegt und nicht in einer angeblichen, durch die Hautfarbe oder die Durchschnittstemperatur unserer Herkunftsländer definierten Brüderlichkeit".

Ganz im Sinne dieser selbstkritischen Perspektive begegnet Mabanckous untoter Held Liwa noch auf seinem eigenen Trauerzug den strengen Gesetzen sozialer Distinktion in der Republik Kongo. Die Parade zu Liwas Ehren darf keinesfalls durch das Viertel der reichen Weißen und des kongolesischen Bürgertums führen, weil die privilegierten Pointenegriner sich über die Verschmutzung der Verkehrsadern durch Trauerzüge mit "Bierflaschen und Bananenschalen" beschweren und sich überdies mithilfe korrupter Seilschaften längst ihren eigenen "Friedhof der Reichen" angelegt haben. Dessen Bewohner, Geisterwesen zwischen Leben und Tod, zetteln gar einen Generalstreik an, falls man den Falschen in ihrer Nähe bestattet. "Du schmollst ein wenig in deinem Sarg. Du wärst gern durch die ganze Innenstadt zum Boulevard du Général-Charles-de-Gaules getragen worden", legt Mabanckou dem Erzähler in den Mund. Mit der Anrede "du" baut er ein Spannungsverhältnis zwischen Distanz und Nähe zu seinem Helden auf, der zugleich tot und lebendig, zugleich Phantasiefigur und Zeuge postkolonialer Realitäten ist.

Vorbei an Pointe-Noires Altkleidermarkt "Grand Marché", auf dem die Kunden "wie Hunde" die auf dem Boden ausgebreiteten Kleider und Schuhe aus Europa beschnüffeln, endet der Trauerzug schließlich im Armenviertel, in dem Liwa mit seiner Großmutter bis zu seinem eigenen (vorläufigen) Tod lebte. Hier erwachen seine Erinnerungen an die Schulzeit am kommunistischen Collège, an die Geschichten und Streiche seiner Kindheit, aber auch an politische und spirituelle Manipulation etwa durch den Scharlatan "Papa Bonheur", der seine Anhänger gegen "die Weißen" einschwor und den Ritualmord an einem kongolesischen Albino-Mädchen anstiftete. Nachdem Liwa allerlei Geistern der Vergangenheit und illustren Figuren der Gegenwart begegnet ist, will er schließlich wissen, wieso er, ein einfacher Küchengehilfe, sterben musste, wieso sein Tod im Radio gemeldet und der Trauerzug von zweihundert Klageweibern begleitet wurde. Auch auf diese Fragen liefert Mabanckou in seiner herrlich überdrehten Geistergeschichte doppelbödige Antworten, die immer sehr komisch, aber selten schmeichelhaft für die Entwicklung seiner Heimat nach der Unabhängigkeit sind. CORNELIUS WÜLLENKEMPER

Alain Mabanckou:

"Das Geschäft der Toten". Roman.

Aus dem Französischen von Holger Fock und

Sabine Müller. Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2023. 270 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2023

Friedhof der Armen
Zwischen afrikanischer Fabel und Satire:
Alain Mabanckou „Das Geschäft der Toten“.
Die Grenzen zwischen Toten und Lebenden sind fließend, vor allem in Kongo-Brazzaville und vor allem in einem Roman des franco-kongolesischen Autors Alain Mabanckou, der zwar in Santa Monica lebt, sich aber seit jeher an seinem Herkunftsland abarbeitet. Er sei im Kongo-Brazzaville „nicht erwünscht“, sagte er kürzlich, was kaum verwunderlich ist: Seit seinem 2005 erschienenen Roman „Zerbrochenes Glas“, schreibt er über die Übersehenen und Unsichtbaren der kongolesischen Gesellschaft. 2012 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem Grand Prix de Literature der Académie Francaise ausgezeichnet.
Der Erzähler des neuen Roman „Das Geschäft der Toten“ spricht aus dem Jenseits und weil er gerade 25 Jahre alt war, als er gestorben ist, schlägt er sich mit Rache-Gedanken herum. Warum nicht zurückkehren und eine Tat begehen, die ihm wahre „Unsterblichkeit“ verleiht?
Mabanckous üppig wuchernder Erzählstil – von Holger Fock und Sabine Müller exzellent aus dem Französischen übersetzt - verliert sich öfter in Nebensträngen - das glaubt man, bis man den metaphysichen Faden erkennt. Das ganze Buch ist ein Selbstgespräch in der „Du“-Form, seine Geschichte: Liwa, der einstige Angestellte des Hotel Victory Palace hat früh seine Mutter verloren und war deshalb bei seiner geliebten Großmutter aufgewachsen. Als er sich im Nachtclub in die unnahbare Adeline verguckt, sie seine Avancen wider Erwarten akzeptiert und sich von ihm nach einer durchtanzten Nacht zum Haus ihres Vaters bringen lässt, weiß er noch nicht, dass er sein Todesurteil unterschrieben hat.
Im „längsten Traum seines Todes“ sieht Liwa den Trauerzug mit seiner Leiche durch sein Viertel ziehen. Er wohnt von oben seiner eigenen Beerdigungs-Zeremonie bei. Dass der Sarg noch einmal „zum Abschied nehmen“ an alle Lieblingsplätze des Verstorbenen getragen wird, gehört zu den Lokaltraditionen von Pointe Noire. Als Liwa sich aber erdreistet in sein Viertel herabzusteigen, drohen ihm verängstigte Passanten mit Knüppeln: „Wenn du nicht umkehrst, stirbst du ein zweites Mal“.
Das alles hat einen folkloristischen Kern. Dass die Toten unter uns bleiben, habe er bereits aus den Sagen seiner Kindheit gelernt, sagte Mabanckou in einem Interview. Selbst Lokalzeitungen brächten Berichte von Wiedergängern. Im Kongo beobachte man den Toten nach dem Begräbnis, stelle ihm Essen hin, trinke Palmwein. Eine Sonderstellung komme den zu früh Gestorbenen zu. Familienangehörige befragten in diesem Fall einen Hexer, wer den Verstorbenen ‚gegessen‘, also mit einem bösen Fluch belegt habe. Der Übeltäter muss gefunden werden. Denn die Toten geben keine Ruhe, bis Gerechtigkeit einkehrt.
Kann man mit so einem Schelmen-Roman die Geschichte eines Landes neu aufrollen? Mabanckou gelingt genau das. Zwischen magischem Realismus und kongolesischer Folklore steckt bei ihm immer auch ein politischer Stachel. Im Falle von Liwa heißt das: Auch die Toten leiden noch unter den korrupten Zuständen, das Klassensystem setzt sich über das Ableben hinaus fort. Wenn Liwa etwa auf dem Friedhof der Armen gelandet ist, dann weil die Reichen ihre ehrwürdigen Verstorbenen nicht neben Bauerntrampeln begraben wollen: „Was nützt es im Leben reich zu sein, wenn man zuletzt in einem Nachbargrab dieser armen Nichtsnutze liegt?“
Wir sind im Kongo. Alles basiert auf magischen Deals, Geheimabkommen zwischen Diktatoren, Hexen und Toten. Kongokenner wird das Roman-Personal an gewisse historische Akteure erinnern: Da ist etwa der Pfarrer gewordene Postbeamte, der sich als Erbe des historischen Königs Loango ausgibt. Der mächtige Hafenvorsteher hält sich zu seinem Schutz eine „Haushexe“. Und natürlich schuldet sich auch der Friedhof der Reichen, das polierte Gegenstück zu Liwas ärmlicher Grabstätte, einem politischen Handel.
Regierungschef Papa Mokonzi Ayé alias Zarathrustra hat ihn den Betuchten seines Landes spendiert – gegen ihre Unterstützung, „die Verfassung dahingehend zu ändern, dass bis zu seinem Tod keine Wahlen mehr stattfinden würden.“ Selbst im lebensbejahenden Zauber der Rumba, ihrer Rhythmen und süßlichen Melodien haben die Geister ihre Hand im Spiel. Etwa wenn der Sänger Lully Madeira auftritt und die Frauen reihenweise in Ohnmacht fallen lässt. Seine goldene Stimme hat er sich zum Preis eines Hexen-Buckels eingehandelt. Nichts gibt es umsonst. Jedes Lebenselixier hat seinen Preis. Denn auch die Toten machen gern Geschäfte.
Muss man hier eine versteckte Moral suchen? Etwa, dass man Konflikte zu Lebzeiten regeln sollte, weil sie sonst vom Reich der Toten zu uns zurückkehren? Geschenkt. Es reicht, dass Mabanckou durch den Kunstgriff, seinen Roman von einem Verstorbenen erzählen zu lassen, die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer ganzen Absurdität entlarvt. Wer die Lebenden aus dem Jenseits denunziert, der muss sich zumindest nicht um die Folgen scheren. Was Mabanckou dem postkolonialen Diskurs hinzufügt, ist eine an afrikanische Fabeln angelehnte Erzählweise. Im Westen verfasst man über den Kongo am liebsten Politreportagen. Mabanckous Erzählstrom aber zitiert nicht nur die historische kongolesische Prophetin Kimpa Vita, den großen malischen Dichter Amadou Hampate Ba oder auch Mark Twains „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ – sondern nimmt auch deren Geister in sich auf. Erlöst die Toten mit Gelächter.
JONATHAN FISCHER
Alain Mabanckou: Das Geschäft der Toten. Roman. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Liebeskind Verlag, München 2023. 240 Seiten, 22 Euro.
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