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Auf eine Inhaltsangabe verzichte ich; sie kann anderweitig nachgelesen werden.
Der Sohn (Vincent) im Schatten seines Vaters – es sind schon viele Bücher über dieses Thema geschrieben worden, gute und weniger gute. „Rotblaue Nelken“ von Wolfgang A. Gogolin gehört sicher zur ersten
Kategorie.
Obwohl ein „schwieriges“ Thema, führt der Autor den Leser in einer flüssig-leichten Sprache durch die…mehr.
Auf eine Inhaltsangabe verzichte ich; sie kann anderweitig nachgelesen werden.
Der Sohn (Vincent) im Schatten seines Vaters – es sind schon viele Bücher über dieses Thema geschrieben worden, gute und weniger gute. „Rotblaue Nelken“ von Wolfgang A. Gogolin gehört sicher zur ersten Kategorie.
Obwohl ein „schwieriges“ Thema, führt der Autor den Leser in einer flüssig-leichten Sprache durch die zahlreichen Handlungsklippen und verliert nie den roten Faden aus den Augen.
Die einzelnen Szenen sind fast immer konkret und lebendig geschildert, wie z.B. in dieser Schlüsselszene bereits in Kapitel 1, als Vincent endlich aus dem Haus kommt, der bedrückenden Atmosphäre in der Nähe seines Vaters entflieht: „Danach lief er los wie von der Leine gelassen. Er genoss den Weg (. . .), wie er ihn jeden Tag genoss. Endlich Freiheit! Am Kantstein lag eine verbeulte Kondensmilchdose. Er tänzelte ein wenig und kickte sie vor sich her, immer wieder, immer weiter, sein fröhliches Pfeifen ( . . . ) umrahmte das muntere Scheppern.“ Und jetzt schildert der Autor über eine Seite lang diese wunderschöne Szene, in der Vincent noch einem anderen Jungen begegnet, der das Spiel kurz aufgreift und sich danach, Vincent zuwinkend, wieder verabschiedet. – Dann, mitten im Spiel, die Wende, die den ganzen Spannungsbogen des Romans schon andeutet: „Plötzlich hörte er ihn. Irgendwo, mitten im Schädel, zwischen den Schläfen. Ihn, den Souffleur mit der ( . . . ) Stimme seines Vaters ( . . . ), der ihm so oft einflüsterte, was er zu tun oder zu lassen hatte, was gut und was schlecht war und ihn ständig dirigierte.“ Und ihn also nun auch (fiktiv zwischen den Schläfen) belehrte, dass er unmöglich seine Hose wegen einer alten Blechdose beschmutzen oder gar zerreißen könne. Vincents Stoßseufzer: „Immer diese Stimme!“
Sein Vater war immer da, auch wenn er nicht da war. So "ging Vincent schließlich weiter den Rest seines Weges. Langsam und ordentlich, ohne zu pfeifen, wie es sich gehörte."
Bei anderen, ebenso lebendig geschilderten Szenen, glaubt der Leser immer wieder anfangs an eine positive Wende, bis ihm dann doch wieder der Kloss im Hals stecken bleibt, wie z.B. bei der Frage der Vaterschaft seiner Freundin Edith und der Vaterschaft des Kindes von Edith (bei der Vincent n i c h t der Vater ist. Mehr sei hier aber noch nicht verraten).
Dieser Roman behandelt mehr als einen Vater-Sohn-Konflikt: es ist die lähmende Sprachlosigkeit in Beziehungen allgemein, in der die Partner voneinander abhängig sind. Sprachlosigkeit und Tabus liegen wie Mehltau über allem und lassen eine Klärung der Verhältnisse nicht zu. Dies deutlich zu machen und dennoch nicht in eine zu große Schwere zu verfallen, ist das Verdienst der klar strukturierten und flüssigen Sprache des Autors.
Obwohl der Roman aus bekannten Gründen nur folgerichtig in der Nachkriegszeit der 50-er Jahre angesiedelt ist, lässt er sich ohne Mühe auf heute übertragen und längst nicht nur auf eine Vater-Sohn-Beziehung. Parallelen lassen sich unschwer auch in modernen Beziehungen erkennen.
Die 50-er Jahre bieten aber den passenden atmosphärischen Hintergrund. Und so lebt der Roman auch, neben der zahlreichen lebendig dargestellten Einzelszenen, von der Atmosphäre.
Diese Atmosphäre konsequent aufzubauen und bis zum Ende durchzuhalten, macht die Qualität dieses Buchs aus.
Mit „Rotblaue Nelken“ ist Wolfgang A. Gogolin sein bisher bestes Buch gelungen.