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Deutschland Corona-Ausbruch bei Tönnies

Warendorf und Gütersloh fahren herunter – Kekulé findet Lockdown zu kurz

Erneuter Lockdown gilt in den Kreisen Gütersloh und Warendorf

Zum ersten Mal werden die Corona-Lockerungen der vergangenen Wochen jetzt für Hunderttausende Menschen wieder weitgehend zurückgenommen. Grund sind über 1500 neue Infektionen beim Fleischkonzern Tönnies.

Quelle: WELT/Marcus Tychsen

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Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies schränken die Behörden das öffentliche Leben im Kreis Gütersloh nun doch massiv ein. Der NRW-Ministerpräsident nennt auch ein Datum, bis wann die Regeln gelten sollen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet verhängt nach dem Ausbruch des Coronavirus in einem Schlachthof des Fleischbetriebs Tönnies über den gesamten Kreis Gütersloh einen Lockdown. „Wir führen wieder eine Kontaktbeschränkung wie im März ein“, sagte Laschet am Dienstag.

Das neue Sicherheitspaket solle bis zum 30. Juni gelten. Auch für den Nachbarkreis Warendorf gilt der Lockdown. Genau wie im Kreis Gütersloh gebe es Kontaktbeschränkungen, Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Kulturveranstaltungen würden verboten, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstagnachmittag. Ab Donnerstag würden zudem Schulen und Kitas im Kreisgebiet geschlossen.

Blieben die Zahlen der Infizierten außerhalb der Schlachthofbelegschaft aber niedrig, könne es bald eine Rückkehr zur Normalität geben, so Laschet. Doch auch eine Verlängerung sei denkbar.

Es handele sich bei dem Ausbruch in dem Tönnies-Schlachthof um das bisher größte einzelne Infektionsgeschehen in Deutschland. Von 6140 getesteten Tönnies-Mitarbeitern seien 1553 mit dem Coronavirus infiziert, dazu gebe es Infektionen im familiären Umfeld. Wie viele genau, sagte er nicht. Das Zentrum der Infektionen wurde in der Abteilung der Fleischzerteilung lokalisiert.

Bis zum 30. Juni werde man dann mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe, sagte Laschet. Bisher gebe es hier nur 24 nachgewiesene Infektionen. Die Behörden werden die Tests in der Bevölkerung massiv ausweiten, betonte der Regierungschef, so werden alle Bewohner von Alten- und Pflegeheimen jetzt getestet. Wer will, könne sich ebenfalls sofort testen lassen.

Lockdown - was gilt jetzt?

Mit dem Lockdown gelten ab sofort wieder grundsätzlich die Kontaktbeschränkungen vom März. Somit dürfen sich laut Anordnung nur Menschen aus einer Familie oder einem Haushalt beziehungsweise zwei Personen, die weder einer Familie angehören noch zusammenleben, in der Öffentlichkeit zusammen aufhalten. Alle Freizeitaktivitäten in geschlossenen Räumen sind nicht gestattet.

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Die Behörden in den Kreisen Gütersloh und Warendorf verbieten unter anderem Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Kulturveranstaltungen. Fitnessstudios werden im ebenso geschlossen wie Kinos und Bars, sagte Laschet.

Galerien, Schlösser, Burgen, Saunen und Museen werden geschlossen. Restaurants können geöffnet blieben, dort dürfen aber auch nur zwei Personen oder eine Familie zusammensitzen. Versammlungen sind nicht erlaubt. Geschäfte bleiben unter strengen Hygieneregeln geöffnet.

Kein „Ausreiseverbot“, aber Appell, vorerst nicht zu verreisen

Für die Bewohner des Kreises Gütersloh gilt kein Ausreiseverbot aus dem Kreisgebiet, sagte Laschet. Das verhängte Kontaktverbot und die Lockdown-Maßnahmen „gelten immer bezogen auf den Kreis“. Laschet warnte nach Meldungen über Reisende, die zurückgeschickt worden waren, davor, Menschen aus dem Kreis Gütersloh zu „stigmatisieren“. Laschet appellierte aber an die Einwohner in Gütersloh, „jetzt nicht aus dem Kreis heraus in andere Kreise zu fahren“.

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Mehrere Bundesländer wollen Einreisen aus Gütersloh verhindern. Auf der Urlaubsinsel Usedom waren am Montag 14 Menschen aus Corona-Risikogebieten aufgefordert worden, abzureisen, darunter ein Paar aus Gütersloh. Laut Verordnung von Mecklenburg-Vorpommern dürfen Personen nicht einreisen oder bleiben, wenn sie aus einem Landkreis kommen, in dem in den vergangenen sieben Tagen die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner höher als 50 ist. Auch Schleswig-Holsteins Landesregierung beschloss am Dienstag die Ausweitung der Quarantänepflicht auf Reisende innerhalb Deutschlands. Personen, die aus Landkreisen mit mehr als 50 Corona-Neuinfektionen pro Woche kommen, sind danach verpflichtet sich für 14 Tage in Quarantäne zu begeben. In Bayern gilt sogar ein Beherbungsverbot.

Rund 7000 Mitarbeiter von Tönnies stehen mitsamt ihren Familien seit einigen Tagen unter Quarantäne bis 2. Juli. Die Einhaltung der Quarantänemaßnahmen gestaltet sich aber schwierig. Die nordrhein-westfälische Landesregierung habe drei Einsatzhundertschaften der Polizei in den Kreis Gütersloh geschickt, sagte Laschet.

Die Polizisten sollen die Quarantäne der Mitarbeiter von Tönnies kontrollieren. Die Polizei werde die mobilen Testteams begleiten. Zur Not müssten die Behörden auch mit Zwang die Anordnungen durchsetzen. Es werde auch zusätzliche humanitäre Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen geben. Schulen und Kitas im Landkreis Gütersloh mit seinen rund 370.000 Einwohnern waren bereits geschlossen worden.

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Kritik von Virologe Kekulé

Der einwöchige Lockdown ist aus Sicht des Virologen Alexander Kekulé zu kurz angesetzt. Es dauere in der Regel zwei Wochen, bis bei allen Infizierten Symptome aufgetreten seien, sagte Kekulé am Dienstag im Podcast von „MDR Aktuell“. Im schlimmsten Fall würden die Einschränkungen am 30. Juni wieder aufgehoben, und erst danach werde klar, wie viele Menschen sich tatsächlich angesteckt hätten.

Er gehe nicht davon aus, „dass man den Lockdown nach einer Woche wieder beenden können wird“, betonte Kekulé auch mit Blick auf die Zeit, welche die Behörden für Testungen und Auswertungen benötigten. „Darum hätte ich zwei Wochen von Vornherein angesagt“, sagte der Lehrstuhlinhaber an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Kekulé warf den Behörden in Nordrhein-Westfalen auch vor, nach Bekanntwerden des neuen Infektionsherds nicht schnell genug reagiert zu haben. Einen Landkreis dürfe man zudem „nicht mit Ankündigung“ abriegeln, sagte der Virologe. „Wenn man das vorher sagt, dann sind ganz viele Leute raus aus der Region.“ Zu befürchten sei, „dass wirklich viele Mitarbeiter vorzeitig Gütersloh und die Fabrik verlassen haben und das Virus jetzt in der Republik irgendwo oder in benachbarte Städte weitergetragen haben“.

dpa/Reuters/AFP/jr/coh/lep

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