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Alessandro Piperno beschreibt die Verfehlungen seiner Figuren so zärtlich, ihren Fall so gnadenlos präzise, dass »Wo die Geschichte endet« zu einem großen literarischen Genuss wird.
Vor sechzehn Jahren musste Matteo aus Rom fliehen, nun kehrt er zurück. Gekonnt pariert er alle Angriffe seiner Ehefrauen - Nummer vier verlangt seine sofortige Rückreise in die USA, Nummer zwei hat noch immer nicht die Scheidung eingereicht -, während seine Kinder die ganze Härte des bürgerlichen Lebens trifft: Martina findet nach einem Kuss nicht in ihre Ehe zurück, und Giorgio hat alle Hände voll zu tun, seit…mehr

Produktbeschreibung
Alessandro Piperno beschreibt die Verfehlungen seiner Figuren so zärtlich, ihren Fall so gnadenlos präzise, dass »Wo die Geschichte endet« zu einem großen literarischen Genuss wird.

Vor sechzehn Jahren musste Matteo aus Rom fliehen, nun kehrt er zurück. Gekonnt pariert er alle Angriffe seiner Ehefrauen - Nummer vier verlangt seine sofortige Rückreise in die USA, Nummer zwei hat noch immer nicht die Scheidung eingereicht -, während seine Kinder die ganze Härte des bürgerlichen Lebens trifft: Martina findet nach einem Kuss nicht in ihre Ehe zurück, und Giorgio hat alle Hände voll zu tun, seit die feine Gesellschaft Roms in seinem Restaurant ein und aus geht. Als ein Unglück sie alle ins Bodenlose stürzt, verkehrt sich die Posse in eine handfeste Tragödie.
Autorenporträt
Alessandro Piperno, 1972 in Rom geboren, zählt zu den renommiertesten Autoren seines Landes. Für sein Debüt »Mit bösen Absichten« erhielt er den Premio Viareggio und den Premio Campiello. Sein dritter Roman »Hier sind die Unzertrennlichen« wurde 2012 mit dem Premio Strega geehrt, der höchsten literarischen Auszeichnung Italiens. Alessandro Piperno lebt in Rom.

Barbara Kleiner hat Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert. Sie hat einige bedeutende italienische Schriftsteller übersetzt, darunter Primo Levi, Italo Svevo und Ippolito Nievo. Für ihre Arbeit erhielt sie mehrere Auszeichnungen, u.a. den Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis 2011.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.07.2019

Das Ende
von allem
Alessandro Pipernos Satire über
die römische Bourgeoisie
Wie war das noch mal mit der italienischen Familie? Groß, laut, vital, eine herzliche Mamma, wärmend wie ein Herdfeuer, ein heroischer Papa und etliche lärmende Kinder. In der bissig-zärtlichen Satire „Wo die Geschichte endet“ von Alessandro Piperno tauchen höchstens noch Versatzstücke des typischen Halbinsel-Clans auf, wirkungsvoll verzerrt und überzogen, zumal der Autor sowohl die katholisch-bourgeoise Ausprägung als auch die jüdisch-bildungsbürgerliche Variante aufs Korn nimmt. Piperno, 1972 in Rom geboren und väterlicherseits aus einer jüdischen Familie gebürtig, lässt seit seinem erfolgreichen Debüt „Mit bösen Absichten“ (2005) immer auch seine Kenntnisse dieses Milieus einfließen. Nach spektakulären Absturzgeschichten über einen landesweit geschätzten Kinderarzt und seine Söhne, dessen zweiter Band 2012 sogar mit dem begehrtesten italienischen Literaturpreis Premio Strega ausgezeichnet wurde, versucht er sich in seinem fünften Roman an einer Art Familienaufstellung. Nicht nur ein Lebensentwurf, sondern gleich mehrere gehen unaufhaltsam in die Binsen. Also, wer wird dieses Mal durch den Kakao gezogen?
Quell des gesamten Unglücks und zugleich einer der Haupthelden von „Wo die Geschichte endet“ ist Matteo Zevi, ein immer noch ansehnlicher 56-jähriger Hallodri und notorischer Verführer. Auf der Flucht vor Schulden war er 16 Jahre zuvor nach Los Angeles getürmt, wo er sich als Hilfskoch durchschlug und mittlerweile mit der vierten Frau verheiratet ist, ohne es für notwendig zu erachten, sich von Ehefrau Nummer 2 ordentlich scheiden zu lassen. Diese Federica, Mutter der gemeinsamen Tochter Martina, harrt immer noch sehnsüchtig in Rom aus und nimmt den abtrünnigen Gatten ohne weitere Vorwürfe in Empfang. Martina, Mitte zwanzig, ist dem Bann des Schlawiner-Vaters durch die Ehe mit dem verwöhnten Lorenzo entkommen, Sprössling der einflussreichen Mogherinis und genießt dort den Status der jüdischen Exotin, gepolstert durch die Vorteile, die ihr die neue Zugehörigkeit zum Establishment verschafft. Der Vater, ausgestattet mit den Insignien eines Italo-Patriarchen, ist ein brillanter Strafverteidiger und umschwärmter Universitätsprofessor, die Mutter eine militante Gastgeberin, deren Ehrgeiz sich auf den äußeren Schein und die Verhätschelung ihres Sohnes beschränkt. Martina fühlt sich längst zu ihrer Schwägerin Benedetta hingezogen, beste Freundin aus Gymnasialtagen und Juristin wie sie, außerdem stört sie die willfährige Art der eigenen Mutter. Schließlich gibt es noch Martinas älteren Bruder Giorgio, Sohn aus Matteos erster Ehe, erfolgreicher Gastronom, seinerseits mit der Jüdin Sara liiert und gerade im Begriff, Vater zu werden. Er hat Matteo den feigen Abgang aus Rom nicht verziehen und verweigert den Kontakt mit seinem Erzeuger, worunter dieser ernsthaft leidet.
Dies ist das Tableau, das Piperno im Handstreich entwirft und dann wirkungsvoll implodieren lässt. Er versteht sich auf Rhythmus und Konstruktion, die Dialoge sind temporeich und abgesehen von einigen pennälerhaften Momenten – zum Beispiel schämt sich Martina für ihren morgendlichen Toilettengang – ist seine Figurenzeichnung stimmig. Um die Zuspitzung der jeweiligen Krisen parallel zu betreiben, entscheidet sich der Autor für ein perspektivisches Karussell: Kapitelweise wechseln die Protagonisten, aus deren Warte wir an den Geschehnissen teilhaben. Zuerst sind es Federica, Matteo und Martina, dann kommt häufig Giorgio zum Zuge, während in der Schlusssequenz vor allem Federica, Matteo, Martina und wiederum Giorgio das Sagen haben.
Zwei Feste rahmen die Handlung ein: die Silberhochzeit der Mogherinis, ein gruseliges Stelldichein sämtlicher Entscheidungsträger aus Politik und Medien, das an Paolo Sorrentinos Film „La grande bellezza“ erinnert, und die Weihnachtsfeier in Giorgios Szenelokal, die erwartungsgemäß in einen Showdown mündet. Die Saturiertheit der Gäste kennt keine Grenzen, und wer mag, kann hier die Folgen des Berlusconi-Zeitalters studieren. Sogar eine Mephisto-Figur taucht auf: Giorgio muss sich den Einflüsterungen eines Vertreters des Gesundheitsamtes erwehren. Piperno nimmt den uferlosen Hedonismus und säuglingsartigen Narzissmus der eigenen Generation unter die Lupe, vergnügt sich mit zahlreichen Kino-Anspielungen von Quentin Tarantino bis zu Nanni Moretti und behandelt seine Figuren mit größerer Nachsicht als noch in früheren Romanen. Trotz ihrer masochistischen Ader ist Federica eine integre Person, und sogar der Woody-Allen-hafte Matteo kommt ganz gut weg.
Inmitten der Kurzsatz-Mode italienischer Gegenwartsliteratur sticht Pipernos Syntax hervor: Der Universitätsdozent für französische Literatur und Proust-Experte hat eine erfrischende Vorliebe für einen verschlungenen Periodenbau. Das Ende birgt eine bittere Ironie – man könnte es als Autodafé deuten, das aber auf diejenigen, die es überstehen, eine klärende Wirkung hat. Plötzlich sind alle erwachsener geworden.
MAIKE ALBATH
Alessandro Piperno: Wo die Geschichte endet. Roman. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Piper Verlag München, 2019. 304 Seiten, 22 Euro.
Inmitten der Kurzsatz-Mode
der italienischen Literatur sticht
Pipernos Syntax hervor
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2019

Terror im Lifestyle
Alessandro Pipernos Roman "Wo die Geschichte endet"

In diesem Fall geht es nicht anders: Um das Ende wird allenthalben ein Geheimnis gemacht, doch mit ihm steht und fällt der Roman, der indes kein Krimi ist, sondern eine Familiengeschichte, insofern seien die Karten auf den Tisch gepackt. Es kommt zu einem Anschlag auf ein In-Restaurant, zwei Motive werden explizit genannt, nämlich Rache für eine Entlassung und, dies stärker noch, ein antisemitischer Terrorakt von Islamisten. Eine Schutzgelderpressung, die zuvor angedeutet wurde und im Grunde den einzigen Verweis auf den gesellschaftlichen Rahmen darstellte, wird nach dem Attentat nicht mehr erwähnt, aber das ist zu verschmerzen.

Damit zum Terroranschlag. Er nimmt in Darstellung, Verarbeitung und abschließendem Vernähen aller Handlungsfäden knapp zwanzig Seiten ein. Bei einem Roman von rund dreihundert Seiten klingt das zunächst unproportioniert, doch wenn Alessandro Piperno eines gut beherrscht, dann die konzise, pointierte Darstellung. Wenige Sätze genügen ihm, um Atmosphäre und Klima zu gestalten: "Die Ansichten der Presse waren so austauschbar, dass der Verdacht aufkommen konnte, die Kommentatoren hätten sich vor dem Schreiben miteinander abgesprochen. Einig darin, dass die Mörder darauf abzielten, unseren Lebensstil zu zerstören, waren sie ebenso überzeugt, dass man ihnen nicht nachgeben durfte."

Die knappe Abhandlung ließe sich sogar als clever auffassen, illustriert sie doch plastisch, wie unvermittelt ein solcher Anschlag Menschen ereilt. Selbst bei dem Wissen um die grundsätzliche Möglichkeit rechnet niemand damit. Dafür aber hätte Piperno sich seinen Schmonzetteschlenker verkneifen müssen. Er wirft vom Ende her einen allzu seichten Schatten auf einen Text, der bis dahin mit einigen brillanten Beobachtungen zum sinnentleerten Leben der römischen Hautevolee aufwartet.

Der von Barbara Kleiner gewohnt souverän übersetzte Roman zeichnet über ein halbes Jahr das Leben eines erwachsenen Geschwisterpaars und dessen Angehörigen nach. Giorgio ist der Sohn von Matteo aus erster Ehe, seine Freundin Sara erwartet gerade ein Kind. Martina ist Matteos Tochter aus zweiter Ehe mit Federica. Sie ist mit Lorenzo verheiratet. Beide Geschwister haben Probleme in ihren Beziehungen: Giorgio arbeitet zu viel in seinem Restaurant und ist über die Aussicht, Vater zu werden, nicht gerade entzückt. Er sieht sich als "Opfer einer universalen Verschwörung" und kompensiert seinen Frust mit Hypochondrie. Martina füllt ihren Alltag, indem sie ihre frühere Schulfreundin und jetzige Schwägerin Benedetta begehrt oder sich zumindest einbildet, dies zu tun.

Der gemeinsame Vater der beiden, Matteo, hatte sich vor sechzehn Jahren auf der Flucht vor einem Gläubiger in die Vereinigten Staaten abgesetzt, wo er mittlerweile bei den Ehefrauen drei und vier angelangt ist, ohne je von Federica geschieden worden zu sein. Alles in allem funktioniert diese Form des Patchworks ganz gut, erst als Matteo seine Rückkehr nach Italien ankündigt, bricht Giorgio den Kontakt zu ihm ohne weitere Begründung ab. Zusammengehalten wird das Gefüge von Federica, die Giorgio gleichsam adoptiert hat, seit seine Mutter dauerhaft unter Depressionen leidet. Federica sieht sich als Unschuld aus den Romanen des neunzehnten Jahrhunderts. Man darf ergänzen: und liebäugelt mit der Rolle der verfolgten Unschuld aus der gothic novel. Ihre Devise: "Besser, man liebt ein Leben lang den falschen Mann, als dass man überhaupt niemanden liebt." Die Idee eines dritten Weges ist ihr fremd.

Piperno fängt die Scheinprobleme dieser Menschen in schönen Bildern ein. Martina leidet, weil Lorenzo sich das Oberhemd über den Kopf auszieht. "Ich habe ihm tausendmal gesagt, dass man das nicht macht. Dass es respektlos ist." Auf Partys suggerieren magere Handgelenke "weniger Wohlbefinden als Finger im Hals und Stunden auf dem Laufband".

Bei dem Anschlag sterben Federica und Lorenzos Vater. Für Martina heißt das: "Jetzt, da das Schicksal erfüllt, da die Geschichte wirklich zu Ende war, sah sie, wie sich der Sinn ihres Lebens herauskristallisierte." Sie landet wieder bei Lorenzo. "Das gegenseitige Mitleid war der optimale Ausgangspunkt für einen Neuanfang." Matteo erbt Federicas Wohnung, Giorgio ist längst Superdad, er und Sara siedeln mit ihrem Sohn nach Israel über. Zuvor gab es an Federicas Herd eine gemeinsame Kochaktion mit Papa Matteo.

Niemand braucht sich Sorgen zu machen, woher das Geld für die Schiffstickets und die Miete kommt, wie gehabt wiegt der finanzielle Wohlstand sie in der Illusion, "dass das Leben einen Sinn hat". Nur behauptet Alessandro Piperno diesmal eben, es wäre keine Illusion, sondern herauskristallisierter Sinn. Schade.

CHRISTIANE PÖHLMANN

Alessandro Piperno: "Wo die Geschichte endet". Roman.

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Piper Verlag, München 2019. 304 S., geb., 22,- [Euro].

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»Bissig-zärtliche Satire.« Süddeutsche Zeitung 20190711